Fangschussseminar an der RWJ-Akademie

Das Fangschussseminar der RWJ-Akademie (einer Fortbildungseinrichtung des LJV NRW) ist ein guter Ausgangspunkt für eine jagdpraktisch-nahe Kurzwaffenausbildung. Idealerweise macht man zwei Durchgänge dieser Halbtagesfortbildung: einen vor und einen nach der eigenen intensiven Beschäftigung mit der eigenen Kurzwaffe und der tatsächlichen Fangschussmunition.

Anmeldung und Administration der RWJ-Akademie sind gewohnt freundlich und unbürokratisch.
Das Seminar selbst zerfällt in einen kurzen theoretischen und einen langen praktischen Teil, bei dem in mehreren Übungen rund 70 Patronen verschossen werden.
Der theoretische Teil behandelt zunächst einen Überblick über auf Markt gängige Kurzwaffen, Holster, Taschenlampen und Fangschussmunition. Der Überblick ist angemessen kurz gehalten und dadurch anschaulich, dass man alle Gegenstände in die Hand nehmen kann und zwar auch in der richtigen Kombination, also z.B. geholsterte Waffe oder Waffe und Taschenlampe. Die reinen Inhalte z.B. über fangschusstaugliche Kaliber und Geschosse könnte man allerdings ohne weiteres auch nachlesen.
Die regelmäßige Lektüre z.B. von "Deutsches Waffenjournal", "Der Jäger", "Wild und Hund" oder "Visier" oder am besten jeweils einem Waffen- und einem Jagdmagazin dürfte auch ausreichen, um ausrüstungs- und waffenmäßig auf dem letzten Stand zu sein. Leider merkt man bereits jetzt, dass einige Teilnehmer offenbar derartige Lektüre bisher versäumt haben.
    
Je öfter, je besser: Training auf dem Schießstand
     
Der praktische Teil ist zunächst unspektakulär: Schussabgabe zweihändig auf 25 m. Allerdings treten bei einigen Teilnehmern hier bereits Probleme auf, die man mit einem einigermaßen begabten Trainer (z.B. dem Schießobmann des Hegerings) im Vorfeld hätte beheben können. Probleme bei der reinen Waffenhandhabung (Laden, Entladen, Sichern, Entsichern, Waffenhaltung, Sicherheitsbestimmungen am Stand) treten ebenfalls auf und sind insofern unentschuldbar, als dass man dies mit einem halbstündigen Trockentraining und einer Viertelstunde Lektüre im Internet oder mit einem der Bücher aus der Jagdausbildung beheben könnte. Wer seine Kurzwaffe nur im Schrank hat und darüber sogar ihre sichere Handhabung verlernt, sollte überlegen, sie abzugeben.
Hier merkt man auch, ob die eigene Ausrüstung (Gehörschutz, zur Verständigung auf dem Stand am besten aktiv, ballistische Brille ggf. zum einklicken der eigenen optischen Brille, passendes Holster) oder Waffe (geeignetes und beherrschbares Kaliber und entsprechende Lauflänge) geeignet sind.
Dann geht es vor auf 20 m, auf 15 m und auf 5 m. Jetzt zeigt sich nicht nur wegen eines herumfliegenden Hülsensplitters die Berechtigung der Schutzbrille, sondern auch wie anders das Schießen auf kürzeste Distanz ist. Der Nachteil des Seminars ist, dass man immer noch auf 10er Ringscheibe schießt und nicht auf einen laufenden (oder auf 5 m besser annehmenden) Keiler oder gar ein dreidimensionales Ziel. Mancher trifft jetzt besser, mancher jedoch fühlt sich so aus dem üblichen 25 m-Set up entfernt und ist scheinbar so verunsichert, dass er schlechter trifft. Als es dann auf 5 m heißt, "jetzt schnelle Schussabgabe" ist mancher entweder ganz verunsichert und zieht nicht mehr richtig ab (vor allem sind naturgemäß die Revolverschützen betroffen, die nicht mehr vorspannen) und mancher "ballert" nur noch. Es sind sich jedoch alle einig, dass es lehrreich war, diese Perspektivänderung mitzumachen.
Anschließend wird es noch schwieriger: Die vorletzte Übung besteht darin, je zwei Schuss auf 15 m, auf 10 m und auf 5 m abzugeben und dazwischen zügig und mit der Waffe weiter in Zielrichtung vorzugehen. Diese für eine Nachsuche nicht untypische Situation verunsichert einige so, dass kein Treffer mehr auf der Scheibe ist. Spätestens jetzt erkennt der letzte Teilnehmer, was er nachzuholen hat.
Erst recht bei der einhändigen Schussabgabe mit der Taschenlampe in Harries Technik, etwas, das viele nie geübt haben, sind wirkungsvolle Treffer ohne viel Training Glückssache. Die Lehre: taktische Taschenlampe kaufen, eigene Kurzwaffe nehmen und einfach zu Hause ausprobieren. Der Seminarleiter lehrt die Harries Technik und lehnt schwere Taschenlampen wie die große Mag Lite oder 5.11 (Light of Life) mit der durchaus wirkungsvolle Techniken möglich sind ab. Es ist klar, dass ein halbtägiges Fangschussseminar kein Low Light-Training mit allen Hilfsmitteln und Techniken ist. Dennoch wünscht man sich an dieser Stelle den Verweis auf Alternativen und wo man diese nachlesen kann.
   
Abschließende Bewertung: Der Seminarleiter, der bekannte Autor Norbert Klups (z.B. "Der Drilling", "Wiederladen für Jäger" oder ganz neu und im März 2012 erst vorbestellbar: "Das Buch der Geschosse" und viele Beiträge in der Jagdfachpresse) ist freundlich, souverän und angenehm lässig, ohne jedoch auch nur einen Moment die Sicherheit oder den Lernerfolg aus den Augen zu verlieren: Es gab keine einzige kritische Situation und auch "Nachzügler" wurden ausreichend beachtet.
Angenehm war auch, dass der Kurs nur acht Teilnehmer umfasste und man unbürokratisch Leihwaffen und Munition erwerben konnte und sich somit damit nicht bei der Anreise belasten musste. Allerdings fehlt dann natürlich das sich vertraut machen mit der eigenen Waffe und Munition. Von daher ist dieses Vorgehen nicht ratsam.
Kritisch anzumerken ist, dass noch eine klassische Szene fehlt: Das einhändige Schiessen mit einem gleichzeitig an der Leine ziehenden Hund, der ein angeschweißtes Stück Schwarzwild wittert. Wer aber sucht in Deutschland ohne Hund nach?
Abschließend bleibt zu sagen, dass das Seminar zweifelsohne nützlich, jedoch für eine sichere und wirkungsvolle Fangschussabgabe mit der Kurzwaffe zu kurz war. Man kann sich signifikant steigern, wenn man Waffenhandhabung zu Hause und "normale" Schussabgabe unter Aufsicht am Schießstand übt, diesen Kurs belegt, dann nacharbeitet sowie ggf. mit besser geeigneter Waffe, Ausrüstung und Munition "aufrüstet" und schließlich den Kurs noch einmal besucht. Diese Ideallösung ist angesichts der vergleichsweise hohen Kosten von 115 Euro allerdings wohl illusorisch. Auch, weil mehr Jäger sicher im Umgang mit der Schusswaffe sein sollten, erscheint der Preis zu hoch. Die persönliche Meinung des Verfassers ist, dass man für eine sichere Nachsuche ein Kaliber mit Reserven einsetzen sollte (also bei der Kurzwaffe z.B. .44 Magnum oder 10 mm Auto), so unangenehm das sein kann, und damit regelmäßig trainiert. Es ist weder eine Lösung einen annehmenden Keiler mit 5 oder 6 Schuß .357 oder gar .38 Spezial stoppen zu wollen, noch mit einem stärkeren Kaliber vorbei zu schießen. Eine Nachsuche auf vergleichsweise wehrhaftes Wild, bei dem man situationsbedingt nur die Kurzwaffe einsetzen kann, ist eine Ausnahmesituation, bei der man gleichermaßen der richtigen Ausbildung und der richtigen Bewaffnung bedarf.

Aufgabe der Landesjagdverbände: Wie auch immer: Die restriktiven Regeln deutscher Schiessstände und des deutschen Waffenrechts (Schießen aus der Bewegung verboten) verhindern ein regelmäßiges und wirkungsvolles Training des jagdlichen Fangschusses. Das für Jäger unsinnige Verbot einer Befestigung der Taschenlampe an der Kurzwaffe, das auch ohne ständiges Training erlauben würde, dass Waffe und Licht in dieselbe Richtung zeigen und sicher geschossen werden kann, steht einer sichereren Jagdausübung ebenfalls im Wege. Hier sind die Landesjagdverbände und der Deutsche Jagdschutzverbände dringend gefordert.

Verweise
- Die Glock 20 und 21 als Nachsuchewaffe
- Die .44 Magnum als Sport- und Fangschussmunition